Wir fordern volle betriebliche Mitbestimmung für studentische Beschäftigte!
Mit der schuldrechtlichen Vereinbarung als Ergebnis der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder 2023 ist es den Gewerkschaften gelungen, mit der Tarifgemeinschaft der Länder erste Vereinbarungen zu Entgelt und Vertragslaufzeit von studentischen Beschäftigten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu treffen. Insbesondere die Einführung einer Vertragslaufzeit von zwölf Monaten im Regelfall ist ein erster wichtiger Schritt, die Beschäftigungsbedingungen von studentischen Beschäftigten zu entprekarisieren und der Unterwanderung von arbeitsrechtlichen Mindeststandards vorzubeugen.
Nun gilt es, diese Fortschritte flächendeckend für alle studentischen Beschäftigten abzusichern. Dafür
ist eine funktionierende betriebliche Mitbestimmung für alle studentischen Beschäftigten unverzicht-
bar. Die Regelungskompetenz liegt in den Händen der einzelnen Landesparlamente. Von ihnen erwar-
ten wir die Schaffung vollwertiger demokratischer Mitbestimmungsstrukturen, die den spezifischen
Beschäftigungsbedingungen von studentischen Beschäftigten an Hochschulen gerecht werden.
Unsere Kriterien für wirksame Mitbestimmung und Kontrolle durch studentische Beschäftigte:
- Für die Wahl von studentischen Beschäftigten in die Personalräte muss es eine verkürzte Wahlperiode geben.
- Studentische Beschäftigte müssen mit uneingeschränkten Beteiligungsrechten im personellen Geltungsbereich der Personalvertretungsgesetze der Länder berücksichtigt sein.
- Das aktive und passive Wahlrecht von studentischen Beschäftigten darf nicht an Vorbeschäftigungszeiten gebunden sein.
- Personalvertretung für studentische Beschäftigte darf nicht von einem individuellen Antrag abhängig sein.
- Studentische Personalratsmitglieder brauchen einen angemessenen Freistellungsanspruch mit konkreten Regelungen zur Kompensation der Freistellungszeiten.
- Studentischen Beschäftigten muss es über die gesamte Wahlperiode rechtlich und tatsächlich möglich sein, ihre Interessen selbst zu vertreten.
Für die Wahl von studentischen Beschäftigten in die Personalräte muss es eine verkürzte Wahlperiode geben.
Mit Blick auf die Personalvertretungsgesetze der Länder offenbart sich, dass dem Großteil der studentischen Beschäftigten die Möglichkeit zur institutionalisierten Vertretung ihrer Interessen nur eingeschränkt oder gar nicht offensteht. Selbst in den Ländern, in denen studentische Beschäftigte die Möglichkeit haben sich zur regulären Personalratswahl aufstellen zu lassen, zeigt sich, dass die Praxis an der Arbeits- und Beschäftigungsrealität von studentischen Beschäftigten vorbeigeht. Die kurzen Laufzeiten der Verträge studentischer Beschäftigter passen nicht zu den 4-Jahres-Wahlperioden. Lange Lücken ohne studentische Repräsentation sind so vorprogrammiert.
Studentische Beschäftigte müssen mit uneingeschränkten Beteiligungsrechten im personellen Geltungsbereich der Personalvertretungsgesetze der Länder berücksichtigt sein.
Gerade vor dem Hintergrund der nun bundesweit einheitlichen schuldrechtlichen Vereinbarung ist dieser Zustand unhaltbar. In einem ersten Schritt können die bestehenden Personalräte, sofern sie dazu im jeweiligen Land den gesetzlichen Auftrag haben, die Einhaltung der schuldrechtlichen Vereinbarung überwachen. Hierfür ist es zunächst erforderlich, dass sowohl die Personalstellen der Hochschulen als auch die Personalräte die Personalmaßnahmen von studentischen Beschäftigten als gleichwertig mit allen übrigen Personalmaßnahmen wahrnehmen und dementsprechende Bearbeitungsprozesse etablieren. Das Ziel aber muss es langfristig sein, die volle Mitbestimmung in die Hände der betroffenen Beschäftigten selbst zu legen, wobei den Besonderheiten der studentischen Beschäftigung durch entsprechende Sonderregelungen Rechnung getragen werden muss.
Das aktive und passive Wahlrecht von studentischen Beschäftigten darf nicht an Vorbeschäftigungszeiten gebunden sein.
Die Beschäftigungszeiten von studentischen Beschäftigten sind durch die kurzen Vertragslaufzeiten und die hohe Fluktuation häufig besonders niedrig. Insofern treffen die in fast allen Ländern üblichen Vorbeschäftigungsbedingungen für das aktive und passive Wahlrecht diese Beschäftigungsgruppe besonders hart – und deshalb müssen sie für studentische Beschäftigte fallen!
Personalvertretung für studentische Beschäftigte darf nicht von einem individuellen Antrag abhängig sein.
Das gilt ebenfalls für die Regelung in einigen Landespersonalvertretungsgesetzen, dass bestimmte Beschäftigtengruppen nur auf Antrag vom Personalrat vertreten werden. Dieses Antragserfordernis steht im krassen Kontrast zu echter Mitbestimmung, wenn Beschäftigte regelmäßig aus Angst vor negativen Konsequenzen oder schlicht aus Unwissenheit auf ihre Rechte verzichten und den notwendigen Antrag auf Mitbestimmung durch den Personalrat nicht stellen.
Studentische Personalratsmitglieder brauchen einen angemessenen Freistellungsanspruch mit konkreten Regelungen zur Kompensation der Freistellungszeiten.
Um das Engagement in der Personalvertretung für studentische Beschäftigte möglich zu machen, müssen sowohl die Wahlperiode als auch die Freistellungsregelungen angepasst werden. Als Orientierung können hier die studentischen Personalräte in Brandenburg und Berlin dienen, wo jedes Jahr ein neues Gremium gewählt wird. Da die Tätigkeit als studentische*r Beschäftigte*r häufig die Tür zu einer späteren wissenschaftlichen Tätigkeit ist, muss auch eine Aufstockung der Arbeitszeit zur Verrichtung der Personalratsaufgaben möglich sein. So ist gewährleistet, dass die Beschäftigten sich nicht zwischen Wissenschaft und Mitbestimmung entscheiden müssen. Wie auch immer eine Regelung in Bezug auf die Freistellung/Aufstockung gestaltet wird – klar muss sein: Die Arbeit im Personalrat erfolgt auch für studentische Beschäftigte in der Arbeitszeit.
Studentischen Beschäftigten muss es über die gesamte Wahlperiode rechtlich und tatsächlich möglich sein, ihre Interessen selbst zu vertreten.
Studentische Beschäftigte brauchen etablierte und institutionell gefestigte Personalvertretungsstrukturen von studentischen Beschäftigten für studentische Beschäftigte. Nur so kann die Arbeit in der betrieblichen Interessenvertretung von den bestehenden Hierarchien, in denen sich studentische Beschäftigte bewegen, entlastet werden. Dies ist umso wichtiger, als studentische Beschäftigte sich in der Regel ohnehin in einer komplizierten Situation doppelter Abhängigkeit (Chef*in und Professor*in) befinden. Die gesetzliche Ausgestaltung betrieblicher Interessenvertretung muss daher den speziellen Bedürfnissen dieser Beschäftigungsform gerecht werden. Der Status Quo wird diesen nicht gerecht. Egal in welcher Form die Mitbestimmung am Ende umgesetzt wird, muss sie instituti-
onell verankert sein, von studentischen Beschäftigten für studentische Beschäftigte erfolgen, in der Arbeitszeit stattfinden und vollwertig, das heißt einklagbar sein.
Vollwertige Mitbestimmungsstrukturen mit garantierten Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten ermöglichen es, demokratische Teilhabe bereits im Studium erfahrbar zu machen. Eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung hat vor dem Hintergrund der EU-Wahl 2024 herausgearbeitet, dass demokratische Teilhabeerfahrungen und gute Arbeitsbedingungen die Demokratie insgesamt stärken. Im Lichte der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen kann der frühzeitige Zugang zu wirksamen Partizipationsmöglichkeiten für Beschäftigte in ihrer Bedeutung daher gar nicht überbetont werden.
Möglichkeiten der Umsetzung
Wie die Kriterien, die wir aufgezeigt haben, umgesetzt werden, kann abhängig von den landeseigenen Vorbedingungen variieren und ist unter Einbeziehung der studentischen Beschäftigten, der bestehenden Personalratsstrukturen und der Gewerkschaften zu entwickeln.
Erfahrungswerte bei der Berücksichtigung der besonderen Lage von studentischen Beschäftigten gibt es seit vielen Jahren in Berlin und neuerdings auch in Brandenburg. Das Berliner Personalvertretungsgesetz regelt in § 5 Abs. 2 Nr. 5 PersVG, dass studentische Beschäftigte an ihren Hochschulen gemäß der Anzahl ihrer Beschäftigten zur Wahrung ihrer Interessen eigene studentische Personalräte wählen dürfen. In Brandenburg wurde mit § 94 LPersVG ein eigener Rechtsrahmen für studentische Personalräte geschaffen. In Berlin hat sich das Modell der eigenständigen studentischen Personalräte bewährt. Aus den gesetzlichen Mitbestimmungsmöglichkeiten haben sich vor Ort wirkmächtige Mitbestimmungsstrukturen entwickelt, die den Besonderheiten studentischer Beschäftigung Rechnung tragen können: hohe Fluktuation, geringe Vertragslaufzeiten, spezifische Stellenanforderungen (Wissenschaftlichkeit und Hilfstätigkeit), spezifische Beratungsbedarfe (Studium, Studierendenversicherung, Werkstudent*innenprivileg).
Eine andere Möglichkeit wäre, zusätzliche Plätze für studentische Beschäftigte in den bestehenden Personalräten zu schaffen. Diese Plätze unterlägen dann den speziellen Kriterien, die wir weiter oben bereits umrissen haben und könnten nur durch studentische Beschäftigte selbst besetzt werden. Da- bei müssen die demokratischen Vorgaben der jeweiligen Personalvertretungsgesetze gewahrt blei- ben. Durch die zusätzlichen Plätze könnte sichergestellt werden, dass die Beschäftigten die Personal- räte tatsächlich auch als ihre Orte der betrieblichen Mitbestimmung wahrnehmen und die bestehen- den Personalräte sich auch tatsächlich mit den Belangen der studentischen Beschäftigten auseinan- dersetzen und Raum und Bedingungen schaffen, sie zu integrieren. Gleichzeitig würden in diesem Modell die grundsätzlichen Vertretungs- und Partizipationsstrukturen an den Hochschulen gewahrt bleiben.
Unabhängig vom gewählten Modell ist für uns selbstverständlich, dass nur in der Kooperation und Solidarität aller eschäftigten an den Hochschulen untereinander echte Mitbestimmung und Ge- staltung von unten nach oben möglich ist. Deshalb streben wir in allen Hochschulen eine gute Zu- sammenarbeit über die Beschäftigtengruppen hinweg an. Darüber hinaus vernetzen wir uns auch überbetrieblich und streiten gemeinsam für eine rechtliche Verankerung der Mitbestimmung von studentischen Beschäftigten. Die Umsetzung des Rechts auf Mitbestimmung darf nicht ins Belieben der Hochschulen gestellt werden, sondern muss gesetzlich verankert sein. Die Landesregierungen und politischen Entscheidungsträger*innen sind dazu aufgerufen, eine der größten Repräsentationslücken im öffentlichen Dienst gemeinsam mit uns zu schließen, um gelebte Mitbestimmung durch studentische Beschäftigte zu ermöglichen.