Es geht weiter mit TVStud! Das Autonome Hilfskräfte-Referat wird auf der Senatssitzung am 19. Juli 2023 über die Vollversammlung Studentischer Beschäftigter berichten und Senat und Präsidium zu einer Stellungnahme auffordern. Rund 100 Hilfskräfte und Tutor*innen stimmten auf der Vollversammlung Ende Juni über Forderungen zur Verbesserung ihrer Arbeitsverhältnisse ab. Hier findet ihr den Antragstext:
Das Autonome Hilfskräfte-Referat hat am Dienstag, 20. Juni 2023 in Kooperation mit der Hochschulgewerkschaft unter_bau, der DGB-Jugend, den GEW Studis Hessen und dem AStA alle Studentischen Beschäftigten – Hilfskräfte wie Tutor*innen – zur Vollversammlung aufgerufen. Ziel war die demokratische Abstimmung gemeinsamer Forderungen für einen Tarifvertrag Studentischer Beschäftigter (TVStud) an der Goethe-Universität und ein starkes Signal für bessere Arbeitsbedingungen an das Präsidium zu senden, das an der Stiftungsuniversität mit Haustarifvertrag als Arbeitgeber auftritt.
An der Vollversammlung nahmen rund 100 Studentische Beschäftigte aus mindestens 10 verschiedenen Fachbereichen, sowie aus Bibliotheken und der Verwaltung der Goethe-Uni teil. Es war damit die größte Versammlung Studentischer Beschäftigter an der Goethe-Uni seit mindestens 10 Jahren und bundesweit die größte für die kommende Tarifrunde. Als Teil einer mittlerweile bundesweiten Bewegung TVStud in über 40 Ortsgruppen, organisieren sie sich für die flächendeckende Durchsetzung eines Tarifvertrags für Studentische Beschäftigte an Hochschulen in Deutschland. Dass die Beschäftigungsbedingungen Studentischer Hilfs-kräfte und Tutor*innen strukturell desolat sind und grundlegende Arbeitsrechte missachtet wer-den, zeigt nicht zuletzt die großangelegte Studie «Jung, akademisch, prekär. Studie zu sozialer Lage und Arbeitsbedingungen Studentischer Beschäftigter an Hochschulen und Forschungseinrichtung» (Hopp et al. 2023) [1].
Die Vollversammlung beschloss daher vier Hauptforderungen für einen TVStud. Basis der abgestimmten Forderungen war die Auswertung einer aktuellen Befragung unter Studenti-schen Beschäftigten an der GU, bei der 211 Gespräche an 13 Fachbereichen, 5 angrenzenden Instituten, Bibliotheken und Verwaltung zwischen März und Juni 2023 geführt worden waren.
1) Höhere und regelmäßig steigende Löhne: Die Studentischen Beschäftigen fordern einen einheitlichen Stundenlohn von 20 Euro (mit und ohne BA-Abschluss). Die aktuelle Vergütung liegt mit 12,26 € (ohne Abschluss, ab 01.08. 12,48 €) und 13,29 € (mit BA- Abschluss, ab 01.08. 13,53 €) knapp über dem Mindestlohn und weit hinter dem durch-schnittlichen Stundenlohn von 24,77 € in Deutschland. Dabei galten 2021 76,1 Prozent der Studierenden, die allein oder nur mit anderen Studierenden zusammenlebten, in Deutschland als armutsgefährdet (Hopp et al. 2023: 68f.). Unter den Studentischen Beschäftigten sind es 77,8 Prozent (ebd.). Mit den immer höheren Lebenshaltungs-kosten und der hinzukommenden überdurchschnittlichen Inflation seit 2022 ist diese geringe Vergütung ohnehin nicht mehr hinnehmbar. Die Lohnunterschiede für studen-tische Beschäftigte mit und ohne Bachelorabschluss sieht die Vollversammlung darüber hinaus als ungerechtfertigt und spaltend an, da oftmals abschlussunabhängig die gleichen Tätigkeiten durchgeführt werden.
2) Keine Kettenbefristungen mehr: Die Studentischen Beschäftigten fordern unbefristete Arbeitsverträge. Aktuell arbeiten Studentische Beschäftigte an der Goethe-Uni meist in drei- oder sechs-Monatsverträgen (teils auch kürzer, z.B. am Fb16). Die Vertrags-laufzeiten bleiben damit oft selbst hinter den sechs Monaten zurück, für die sich das Präsidium der Goethe-Uni in der Selbstverpflichtung 2016 ausgesprochen hatte [2]. Mindestvertragslaufzeiten bedeuten mehr Planungssicherheit für alle Seiten, weniger Ab-hängigkeit von Vorgesetzten und entlasten die Personalverwaltung; der bundesweite Vergleich zeigt zudem, dass je länger die Verträge Studentischer Beschäftigter sind, desto eher die Arbeitnehmer*innenrechte wie Urlaub eingehalten werden (Hopp et al. 2023: 104ff.).
3) Mehr Urlaubstage: Die Studentischen Beschäftigen fordern 30 Urlaubstage pro Jahr und damit eine Anpassung an die Urlaubsansprüche der anderen Beschäftigten der Goethe-Uni im TV-G-U. Aktuell gelten die gesetzlichen Mindestbestimmungen von 20 Urlaubstagen.
4) Mitbestimmungsrechte: Die Studentischen Beschäftigten fordern an der Goethe-Uni eine eigene Personalvertretung, die eine angemessene Aufwandsentschädigung erhält. In Deutschland haben alle Arbeitnehmer*innen das Recht, einen Betriebs-/Personalrat zu wählen. Auch für Auszubildende gilt das Recht auf die Wahl einer Ju-gend- und Auszubildendenvertretung.
Die aktuellen Arbeitsbedingungen Studentischer Beschäftigter, ihr Ausschluss von Tarifverträgen und Personalvertretung als größte Beschäftigungsgruppe der Universität sind von demokratischen Zuständen weit entfernt und alles andere als wertschätzend. Studentische Beschäftigte verrichten notwendige Tätigkeiten überall an der der Goethe-Uni: Sie arbeiten in Bibliotheken, der Verwaltung und im EDV und stellen damit grundlegende Infrastrukturen bereit, sie korrigieren Veröffentlichungen ihrer Professor*innen, unterstützen bei Forschungsprojekten und in der Lehre, sie stehen im Labor und sind auf Exkursionen, sie erstellen OLAT-Kurse und Websites, sie organisieren Konferenzen und Tagungen. Studentische Beschäftigte sind eine tragende Säule für die Qualität der Hochschullehre und Forschung.
Das Autonome Hilfskräfte-Referat möchte mit diesem Antrag Senat und Präsidium wiederholt auf bestehende Missstände hinweisen und sie zu einer Positionierung aufrufen. In den kommenden Monaten stehen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst an: Ab Oktober 2023 im Tarifvertrag der Länder (TdL), sowie ab Februar 2023 im Tarifvertrag des Landes Hessen (TV-H) und der Goethe-Uni (TV-G-U). Wir fordern Sie auf, sich für den Tarifvertrag für Studentische Beschäftigte einzusetzen und damit endlich demokratischere Strukturen an der Goethe-Universität zu schaffen.
Quellen
[1] Durchgeführt vom Institut für Arbeit und Wirtschaft (IAW) wurden im Auftrag der bundesweiten TVStud-Kampagne mit Unterstützung von GEW und ver.di an der GU und bundesweit 11.000 Studentische Beschäftigte befragt. Es ist die bislang größte Befragung zu diesem Thema. Siehe Hopp, M. et al. (2023): Jung, akademisch, prekär. Studie zu sozialer Lage und Arbeitsbedingungen Studentischer Beschäftigter an Hochschulen und For-schungseinrichtung. Online: https://www.iaw.uni-bremen.de/archiv/mitteilungen/detail?news=90#news90
[2] Die Selbstverpflichtung wurde nach Protesten Studentischer Beschäftigter 2015 vom Präsidium unterzeichnet. Die darin für 2018 vereinbarte Evaluation der Arbeitsbedingungen fand bis heute nicht statt. Siehe: Selbstver-pflichtung der Goethe-Universität zu Arbeitsbedingungen von Studentischen Hilfskräften und Hilfskräften mit wissenschaftlichen Aufgaben (ehemals wissenschaftliche Hilfskräfte) (Stand 26.09.2016). Online: https://www.uni-frankfurt.de/57536675/Selbstverpflichtung.pdf