Zum Inhalt springen

Die Kampagne

1980er

“Unbefristete Verträge und 1.000 Mark im Monat” – an solche Zeiten können sich Kolleg*innen erinnern, die im Berlin der 1970er Jahre als Tutor*innen arbeiteten. Doch dann folgten trotz Bildungsexpansion und erhöhtem Personalbedarf Kürzungen und Sparmaßnahmen, die Verträge wurden befristet, Löhne und Urlaubstage gekürzt. Dagegen organisierten sich die Hilfskräfte und Tutor*innen und erkämpften den ersten und bis heute einzigen Tarifvertrag für Studentische Beschäftigte, der 1980 in Kraft trat. Angesichts drohender Massenentlassungen von Tutor*innen und weiteren von der Landespolitik geplanten Verschlechterungen der Studien- und Arbeitsbedingungen, u.a. durch Kündigung des TVStuds durch den Senat, sahen sich die studentischen Beschäftigten Mitte der 1980er erneut einem Abkehrkampf gegenüber. Doch auch diesen gewannen sie 1986 mit kreativen Streik- und Protestaktionen, am Ende stand der TVStud II. Der damalige Wissenschaftssenator Berlins empörte sich, wütend über seine Niederlage, nur in Berlin gäbe es einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, nur dort eine Arbeitnehmermentalität an Hochschulen. Und leider sollte er viel zu lange damit recht behalten; Bestrebungen, einen TVStud auch in anderen Ländern durchzusetzen, scheiterten, ebenso wie 1994 ein bundesweiter Tarifierungsversuch, gegen den sich u.a. die Hochschulrektorenkonferenz sperrte.

Literaturempfehlungen zum Tutorenstreik

2015-2018

So richtig Bewegung kam erst ab 2015 langsam wieder in die Sache, und nach über 40 Tage Streik dann der Erfolg: der TVStud III war erkämpft. Das war 2018 in Berlin, und hatte Signalwirkung weit darüber hinaus. Arbeitskampf studentischer Beschäftigter war möglich. Als dann die ersten systematischen Organisierungsversuche außerhalb Berlins in Bremen und Hamburg 2019 daran zu scheitern drohten, dass die Länder nicht einzeln über einen Tarifvertrag für Hilfskräfte und Tutor*innen verhandeln dürfen, zeichnete sich ab: Auch wir müssen uns bundesweit organisieren und zunächst die politische Blockadehaltung des Arbeitgeberverbandes Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) gegenüber Tarifverhandlungen brechen.

2020

Ende 2020 fand ein erstes digitales Vernetzungstreffen mit schon gewerkschaftlich aktiven Kolleg*innen statt – rückblickend der Startschuss für die seitdem alle 2 Wochen stattfindenden bundesweiten Plena. Daraus geworden ist die bislang größte Tarifbewegung Studentischer Beschäftigter in Deutschland. Im Frühjahr 2021 startete zunächst die Kampagne „Keine Ausnahme!“, die das Thema nach knapp 30 Jahren wieder prominent auf die Tagesordnungen von ver.di und der GEW und in der Tarifrunde im Herbst auf den Verhandlungstisch brachte, während an vielen Hochschulen erstmals studentische Beschäftigte in den Streik traten. Das Ergebnis: Noch keine Verhandlungsverpflichtung, aber die Zusage über eine Bestandsaufnahme zu den Arbeitsbedingungen.

2023

Diese nahmen wir in Form der Studie „Jung, akademisch, prekär“ selbst in die Hand, die eine Woche vor dem ersten Gespräch mit der TdL im Januar 2023 veröffentlicht wurde. Auf Grundlage von über 11.000 Fragebögen konnten wir nun die Prekarität unserer Beschäftigungsverhältnisse nachweisen. Zusätzlich zu bestehenden Koalitionsverträgen, in denen man sich inzwischen auf unseren Druck zu einer Tarifierung bekannt hatte, sprachen sich daraufhin weitere Wissenschaftsminister*innen für die Notwendigkeit von Verbesserungen und Tarifvertrag aus – mittlerweile steht es 11 zu 5 zwischen den Ländern, zu unseren Gunsten. Nebenbei wurden nicht nur Personalvertretungs- und Hochschulgesetze novelliert und durch das Zutun aktiver Kolleg*innen Mitbestimmungsrechte und längere Verträge erkämpft, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) soll auch künftig eine Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr vorsehen – bundesweit. 


Mit all diesen großen und kleinen Errungenschaften haben wir in 3 Jahren ein einmaliges Möglichkeitsfenster aufgestoßen, das es zu nutzen gilt. Denn die Chancen auf einen bundesweiten Tarifvertrag für Studentische Beschäftigte standen nie besser als diesen Herbst.